
In diesem Jahr habe ich eine besondere Reise begonnen. Ich nehme an der zweijährigen Ausbildung SELRIC teil – einem Programm zur ehrenamtlichen Sterbebegleitung, das westliche Hospizpraxis mit östlicher Weisheit verbindet. SÄLRIG ist ein tibetisches Wort und bedeutet Klarheit und Erkenntnis. Es steht für eine innere Haltung, die das Leben genauso umfasst wie das Sterben – mit Offenheit, Mitgefühl und Klarheit.
Ich habe euch versprochen, euch mitzunehmen auf diesem Weg – und heute möchte ich einen ersten Einblick geben. Drei intensive Ausbildungswochenenden liegen bereits hinter mir. Und was soll ich sagen: Diese Reise geht unter die Haut.
Warum ich diesen Weg gehe?
Weil ich nicht nur anderen Menschen am Lebensende mitfühlend begegnen möchte – sondern auch mir selbst.
Ich habe das Thema Tod, Trauer und Krankheit lange verdrängt – vielleicht aus Angst, vielleicht auch, weil mir der Raum fehlte, diese Erfahrungen wirklich zu verstehen und zu verarbeiten. Aber: In dem Moment, in dem wir geboren werden, ist auch klar, dass wir sterben werden. Die Frage ist nur: Wann?
Immer öfter erlebe ich, dass Menschen in meinem Umfeld schwer krank werden oder sterben – und ich spüre, wie oft ich sprachlos bin, hilflos. Ich möchte lernen, wie ich diesem Schweigen etwas entgegensetzen kann. Mit Klarheit. Mit Herz. Mit Achtsamkeit.
Ein paar Eindrücke von unterwegs
Wir sind 19 Teilnehmende – ganz unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Lebensgeschichten. Wir lachen viel. Wir hören einander zu. Wir zeigen uns in unserer Verletzlichkeit. Und wir bringen viel Respekt und Offenheit mit.
Wochenende 1: Ankommen. Wer bin ich – und warum bin ich hier?
Wochenende 2: Achtsame Kommunikation – gerade in Momenten, in denen Worte fehlen.
Wochenende 3: Krankheit. Verlust. Trauer. Biografiearbeit. Und die Frage: Was bleibt, wenn ich nach und nach alles verliere, was mir wirklich wichtig ist?
Gerade dieses letzte Wochenende war tief bewegend. In einer Übung haben wir Schritt für Schritt verabschiedet, was ins im Leben besonders am Herzen liegt. Und uns gefragt: Wenn das alles wegfällt – was bleibt dann noch? Wir haben über spirituelle Ressourcen gesprochen – über das, was trägt, wenn es schwer wird: Meditation. Natur. Musik. Gemeinschaft. Kunst. Achtsamkeit.
Und ja – Achtsamkeit ist für mich eine dieser Kraftquellen. Sie hilft mir, in Verbindung zu bleiben. Mit mir selbst. Mit dem Moment. Mit der Kostbarkeit dieses einen Lebens.
Besonders berührt hat mich ein Einblick in die Bildsprache eines schwerkranken Menschen. Er konnte nicht in Worte fassen, wie es ihm ging – und begann zu malen. Seine Bilder waren kraftvoll, bewegend und tief. Und sie haben mir noch einmal gezeigt: Jeder Mensch empfindet anders. Jeder interpretiert anders. Gerade im Erleben von Krankheit, Alter und Sterben.
Was ich mitnehme
Diese Ausbildung lässt mich das Leben nicht nur klarer sehen – sie lässt mich es tiefer erleben. Ich bin aufmerksamer geworden für das, was gerade da ist. Für die kleinen, stillen Momente.
Und auch wenn das Thema Tod lange wie ein dunkles Loch wirkte – da sind inzwischen Risse entstanden. Risse, durch die Licht fällt. Gold. Wärme.
Ich kann kaum in Worte fassen, wie wertvoll dieser Weg ist. Und wie sehr er mich in meiner Arbeit mit Achtsamkeit verändert. Vielleicht auch bereichert. Vielleicht macht er mich präsenter, wacher, mitfühlender – für andere, aber vor allem auch für mich selbst.
Wenn du magst, begleite mich gern weiter auf dieser Reise.